Zugangsbeschränkung ist nicht die Lösung aller Probleme

Freier Hochschulzugang ist immens wichtig. Wir wissen, dass es utopisch wäre den MedAT von heute auf morgen abschaffen zu wollen. Die Bedingung, die hinter dieser Forderung steht, ist die Ausfinanzierung der Hochschulen und die entsprechende Beratung vor der Studienwahl. Denn kein Aufnahmetest ist wirklich fair.” – “Was du brauchst” der UFMUW 2015

 

Warum verstehen wir den freien Hochschulzugang nicht?

Grundsätzlich war es in Österreich von der Ära Bruno Kreiskys bis 2005 allen Personen mit Hochschulreife möglich, jedes beliebige Studienfach zu inskribieren. Ausgenommen waren anfangs nur Sport und Kunst. Das war ziemlich spannend aber natürlich auch katastrophal, denn flächendeckende Studienberatung gab es damals keine – also haben viele überall und nirgends studiert. Die Universitäten bedienten sich schon damals verschiedenster Mittel, um die Anzahl der Studierenden in höheren Semestern zu senken. Dies geschah mittels Knock-Out-Prüfungen oder durch stark reduzierte Plätze bei Seminaren. Diese Flaschenhälse gibt es auch heute noch an vielen Universitäten, trotz StEOP und Aufnahmetests. Resultate dieser Maßnahmen, sind freilich eine hohe Dropout-Quote und verlängerte Studienzeit. Auch das vorherige Medizinstudium N201 hat und hatte eine wesentlich höhere Studienabbruch-Quote als unser N202. Ergo denken die meisten Menschen, der freie Hochschulzugang wäre eine Belastung für die Hochschulen, Studierenden und Lehrenden.

 

Med-AT ist doch eh super?

Die Vorstellung, Studierendenströme mittels Zugangsbeschränkungen lenken zu können, führt zwangsläufig zu einer Selektion bereits vor dem Studium. Die Selektion durch den Med-AT täuscht vor, die “am besten für das Studium geeigneten BewerberInnen” zu erhalten. Doch funktioniert das wirklich? Es gibt keine valide Untersuchung, die beweist, dass abgelehnte Studieninteressierte schlechter im Studium performen würden, geschweige denn schlechtere ÄrztInnen wären. Derzeit wird beim Med-AT ausschließlich auf Fachwissen, kognitive Leistung und Entscheidungsfähigkeit geschaut, doch die soziale Eignung bleibt vollends auf der Strecke (der neue Untertest “Soziales Entscheiden” testet dies nicht ausreichend) – ein beliebter Kritikpunkt an dem Verfahren. Selbstverständlich gäbe es Möglichkeiten den Med-AT anders zu gestalten, das würde aber mehr Ressourcen brauchen, die trotz hoher Testgebühr scheinbar nicht vorhanden sind. Es gibt auch keine Untersuchung mehr – vor Jahren wurde eine solche beim Med-AT-Vorgänger EMS durchgeführt – welche die Vorbereitung auf den Test und die Testnote miteinander vergleicht. Also buchen viele Studieninteressierte fleißig Kurse im Preisrahmen von € 300 bis über € 2000 und hoffen das Beste. Diese Kurse sind natürlich nicht für alle leistbar und notwendig sind sie laut unserer Universität auch nicht – eine Umfrage fand heraus, dass die Vorbereitung mittels Kurs nicht erfolgreicher als jene mit den von der Universität zur Verfügung gestellten Unterlagen war. Obwohl diese Information seit Jahren an die Oberstufen getragen wird, verdienen die Kursinstitute weiter an der Angst vor dem Med-AT. Hier kann man gut erkennen, was es bedeutet, wenn von sozialen und psychologischen Hürden der Aufnahmeverfahren gesprochen wird. Passend dazu, liegt die soziale Durchmischung laut Studierendensozialerhebung (2015) an den öffentlichen medizinischen Universitäten unter dem österreichweiten Schnitt: nur 9% der Medizinstudierenden stammen aus einer niedrigen sozialen Schicht, österreichweit sind es 17,4 %. Letztlich können es sich viele MaturantInnen nicht leisten die Anmeldegebühren für mehrere Aufnahmeverfahren zu zahlen – schließlich sind die meisten Tests kostenpflichtig. Möchte man einen Plan B (oder sogar C) haben, vervielfachen sich die Kosten für Teilnahmegebühren und Kurse erheblich. Müssen Studieninteressierte sich von vorn herein auf einzelne Felder festlegen, ist das so wichtige “hineinschnuppern” quasi nicht mehr möglich – ein Kennenlernen der passendsten Studienrichtung bleibt aus.

 

Über den Med-AT lässt sich demnach sagen:

Der Med-AT selektiert sozial besser stehende Studieninteressierte.
Der Med-AT selektiert psychologisch Menschen, die einen solchen Test gut “durchstehen”.

Der Med-AT überprüft nicht die Eignung zur ärztlichen Tätigkeit.

 

Wie gehört freier Hochschulzugang?

Grundsätzlich ist es ein schwieriger Grat, zwischen den Interessen des Staates, der Hochschulen, sowie der Studieninteressierten, ausbalancierte Entscheidungen zu treffen. Im Zeitalter des europäischen Bildungsraumes ist diese Problematik natürlich wesentlich komplexer. Studieninteressierte und AbsolventInnen sind mobil und gehen immer öfter dorthin, wo für sie das beste Angebot besteht. Ein modernes Hochschulmanagement muss demnach durch breite und tiefe Beratung die Interessen und Eignungen für ein bestimmtes Studium überprüfen oder Möglichkeiten anbieten sich orientieren zu können. Die tatsächliche Entscheidung liegt jedoch allein bei den Studierwilligen selbst. Wer einen Notenschnitt von 2,8 hat, kann dennoch eine hervorragende Ärztin werden und wer sich bei einem Test von 8 Stunden Länge schwer tut, kann dennoch Nobelpreisträger für Medizin des Jahres 2035 werden.

 

Was bedeutet das jetzt für mich und meine Uni?

Unter den derzeitigen Voraussetzungen ist ein komplett freier Hochschulzugang an der MedUni Wien nicht durchführbar. Deshalb fordern wir auch keine Abschaffung des Aufnahmeverfahrens von heute auf morgen. Allerdings möchten wir uns auch nicht nach dem Motto “Wir sind ja eh drinnen!” zurücklehnen. Dann bräuchten wir überhaupt keine Hochschulpolitik mehr zu machen. Stattdessen setzen wir uns für eine echte Ausfinanzierung* der Hochschulen und deutlich bessere Orientierungsmöglichkeiten bei der Studienwahl ein. Beratung muss in den Oberstufen anfangen und soll von den Universitäten und lokalen Studienvertretungen weitergeführt werden. Um dies auch an der MedUni Wien zu fokussieren, haben wir vor einigen Jahren das Referat für Studien- und MaturantInnenberatung gegründet und arbeiten seither intensiv an der Beratung rund um das Medizinstudium und den MedAT – ob Lernunterlagen, persönliche Gespräche oder größere Veranstaltungen, wir bemühen uns redlich möglichst vielen Interessierten weiter helfen zu können. Auf dieser Ebene arbeiten wir auch mit der ÖH Bundesvertretung zusammen, in welcher wir als Teil der Unabhängigen Fachschaftslisten Österreichs (FLÖ) vertreten sind.

 

“Alle StudienwerberInnen müssen die gleichen Chancen für eine Zulassung zum Studium haben. Wir sprechen uns für einen freien Hochschulzugang aus. Sofern jedoch Zugangsbeschränkungen existieren, sollen diese so fair wie möglich gestaltet werden. Langfristiges Ziel muss dennoch die Abschaffung dieser sein. Um das zu ermöglichen, müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden – entweder durch den Ausbau der Kapazitäten an bestehenden Hochschulen oder durch die Schaffung neuer Standorte sowie durch den massiven Ausbau qualitativ hochwertiger Beratungsangebote für StudienwerberInnen. Gebühren für Aufnahmetests müssen abgeschafft werden, um sozial schwächere Studierende nicht am Hochschulzugang zu hindern.

Die FLÖ sprechen sich dafür aus, dass an allen Hochschulen die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um qualitativ hochwertiges Studieren zu ermöglichen – ohne Zugangsbeschränkungen.” – www.fachschaftslisten.at

 

*) Seit Jahren wird den Universitäten zur Finanzierung eine Summe, die 2% des BIP ausmacht seitens des Bundesregierung versprochen. Die im vergangenen Sommer ausgesprochene “Bildungsmilliarde” wurde vor allem an den sekundären Bildungssektor, die Fachhochschulen und die Nationalstiftung fuer Forschung zugeteilt. Heuer soll das nächste Drei-Jahres-Budget fuer die Universitäten festgelegt werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Bundesregierung dann an ihr Versprechen erinnert und den Universitäten jenes Geld zukommen lässt, das sie dringend benötigen.

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